Zusammenfassung
Sebastian Veelken: Das Verbot von Weltanschauungs-
und Religionsgemeinschaften
Diss. Münster 1999
Die Frage, ob Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften
durch den Staat verboten werden dürfen, hat bisher erst einmal zu
einer höchstrichterlichen Entscheidung geführt (Ludendorff-Entscheidung,
BVerwGE 37, 344).
In den letzten Jahren ist sie angesichts des
Erfolgs sogenannter Sekten und Psychogruppen wieder ins Blickfeld gerückt.
So ging es auch in den Anhörungen der Enquête-Kommission "Sog. Sekten
und Psychogruppen" des 13. Deutschen Bundestages um diese Problematik.
Die Untersuchung des Verbots von Weltanschauungs- oder Religionsgemeinschaften
wirft erhebliche grundrechtsdogmatische Fragen auf.
Schwerpunkt der Arbeit ist in Teil 3 der grundgesetzliche
Schutz von Weltanschauung und Religion. Hier werden die Begriffe von Weltanschauung
und Religion bestimmt (S. 41 ff.). Insbesondere werden die restriktiven
Interpretationsansätze (v.a. "keine wirtschaftliche Betätigung"
bzw. "keine politische Betätigung")
zurückgewiesen (S.
46 ff.)
-
Der Begriff von Weltanschauung und Religion ist weit
zu fassen, Korrekturen sind ggf. auf der Ebene der Grundrechtsschranken
zu machen. Unter dieser Prämisse ist auch die Lehre der Scientology-Organisation
als Religion einzuordnen.
-
Von einem Verbot sind die grundrechtlichen
Schutzbereiche
der weltanschaulichen und religiösen Vereinigungsfreiheit aus Art.
137 Abs. 2 S. 1 WRV i. V. m Art. 4 Abs. 1, 2 GG sowie die allgemeine Vereinigungsfreiheit
aus Art. 9 Abs. 1 GG betroffen. Auf diese Grundrechte können sich
jeweils die Gruppierung selbst sowie ihre Mitglieder stützen.
-
Zwischen der allgemeinen Vereinigungsfreiheit und
der weltanschaulichen bzw. religiösen Vereinigungsfreiheit besteht
kein Konkurrenzverhältnis, vielmehr sind beide Grundrechte kumulativ
anwendbar.
-
In einem Exkurs wird die Bandbreite sonstiger, z.T
schon praktizierter Möglichkeiten des Einschreitens gegen sog. Sekten
und Psychogruppen untersucht (S. 138 ff.), da die Forderung nach einem
Verbot gerade daraus resultiert, daß solche Regelungen als ineffektiv
empfunden werden.
-
Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Verbots
von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften ist ein zweiter Schwerpunkt
der Arbeit. Das Verbot einer Weltanschauungs- oder Religionsgemeinschaft
kann nur zulässig sein, wenn mindestens die Voraussetzungen für
ein Verbot nach Art. 9 Abs. 2 GG erfüllt sind (S. 159 ff.).
-
Art. 9 Abs. 2 GG ist aber keine Schranke für
die weltanschauliche und religiöse Vereinigungsfreiheit i. S. v. Art.
137 Abs. 2 S. 1 WRV i. V. m. Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Art. 9 Abs. 2 GG ist
weder
unmittelbar (S. 167 ff.) noch über den Umweg des Art. 137 Abs.
3 WRV (S. 173 ff.) auf die weltanschauliche und religiöse Vereinigungsfreiheit
anwendbar.
-
Art. 136 Abs. 1 WRV ist weder für die Religionsfreiheit
im allgemeinen noch für die weltanschauliche und religiöse Vereinigungsfreiheit
ein Gesetzesvorbehalt (S. 183 ff.,193).
-
Auch auf kollidierendes Verfassungsrecht kann
ein Verbot nicht gestützt werden (S. 193 ff., v.a. S. 199, 207).
-
Als Gesamtergebnis ergibt sich daraus, daß
das Verbot einer Weltanschauungs- oder Religionsgemeinschaft nicht gerechtfertigt
werden kann.
-
Die Behörden können aber gegen gesetzwidrige
Einzelhandlungen vorgehen.
-
In Übereinstimmung mit der Verfassungsrechtslage
existieren derzeit keine einfach-gesetzlichen Normen, die das Verbot einer
Weltanschauungs- oder Religionsgemeinschaft erlauben würden.
Durch Verfassungsänderung könnte aber
grundsätzlich eine Verbotsmöglichkeit eingeführt werden.
Inhaltsverzeichnis
Teil 1: Einleitung und Gang der Untersuchung
Teil 2: Historischer Abriß
- Geschichte der weltanschaulichen und religiösen Vereinigungsfreiheit
- Historische Belege für das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften
Teil 3: Grundgesetzlicher Schutz von Weltanschauung
und Religion
- Definition der Weltanschauungs- bzw. Religionsgemeinschaft
- Grundrechtliche Gewährleistungen
- Schutzbereich der weltanschaulichen und religiösen Vereinigungsfreiheit
- Allgemeine Vereinigungsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 1 GG
- Glaubensfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 GG
- Konkurrenzverhältnis der einschlägigen Grundrechte
Teil 4: Rechtlich relevante Verhaltensweisen von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften und typischerweise eingesetzte
rechtliche Mittel
- Rechtlich relevante Verhaltensweisen
- Umgang der Gemeinschaft mit ihren Mitgliedern
- Einstellung der Gemeinschaften zur Umwelt
- Typische Maßnahmen gegen Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften
- Mittel des Strafrechts zur Ahndung von Einzelfällen
- Informations- und Aufklärungsarbeit
- Genehmigungspflicht für Straßenwerbung
- Gewerberechtliche Schritte
- Vereinsrechtliche Maßnahmen
- Heilpraktikergesetz
- Verhinderung des Zugangs zum öffentlichen Dienst
- Ergebnis zu den rechtlich relevanten Verhaltensweisen und typischen Maßnahmen gegen Weltanschauungs- und
Religionsgemeinschaften
Teil 5: Verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Verbots
- Bestimmung des Prüfungsmaßstabes
- Verhältnis der Schranken der allgemeinen Vereinigungsfreiheit zu denjenigen der weltanschaulichen und
religiösen Vereinigungsfreiheit
- Folgerung für die Untersuchung
- Darstellung der Schranken des Art. 9 Abs. 2 GG
- Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG als einzige Schranke der weltanschaulichen und religiösen Vereinigungsfreiheit?
- Art. 9 Abs. 2 GG als verfassungsunmittelbare Schranke
- Das für alle geltende Gesetz i. S. v. Art. 140 GG i. V. m. 137 Abs. 3 S. 1 WRV als Schranke
- Zwischenergebnis: Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind nicht die einzige Schranke der weltanschaulichen
und religiösen Vereinigungsfreiheit
- Staatsbürgerliche Pflichten i. S. v. Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV als Schranke
- Art. 136 Abs. 1 WRV als Gesetzesvorbehalt
- Anwendbarkeit auf die weltanschauliche und religiöse Vereinigungsfreiheit
- Ergebnis zur Anwendbarkeit des Art. 136 Abs. 1 WRV auf die weltanschauliche und religiöse Vereinigungsfreiheit
- Andere verfassungsimmanente Schranken
- Kollision mit Grundrechten Dritter
- Kollision mit bedeutenden Verfassungsgütern
- Ergebnis zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung
Teil 6: Ermächtigungsgrundlage de lege lata
- § 3 Abs. 1 VereinsG
- Art. 9 Abs. 2 GG unmittelbar
- Polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel
- Ergebnis zur Ermächtigungsgrundlage de lege lata
Teil 7: Anforderungen an ein Verbot de lege ferenda
- Gebotenheit der Schaffung einer Verbotsmöglichkeit
- Gestaltungsmöglichkeiten einer Verfassungsänderung
- Zulässigkeit einer Verfassungsänderung
- Keine Berührung des Menschenwürdekerns
- Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
- Ergebnis
Download
Außerdem können Sie die
Arbeit als PDF-Datei herunterladen (770 kB). Bitte wählen Sie dazu die Funktion "Ziel speichern unter..." (IE) bzw. "Verknüpfung speichern unter..." (Netscape) Ihres Browsers.
Falls es mit dem Link Probleme gibt, kopieren Sie bitte die nachfolgende Zeile in die Adresszeile Ihres Browsers und entfernen Sie die Leerzeichen:
http:// veelken.com/ diss/ veelken.pdf
Letzte inhaltliche Änderung: 09.04.2003